«Zu sehr emancipiert»
Lydia Eschers Tragödie
Regina Dieterle
NIMBUS. Kunst und Bücher AG 2019
gebunden 22,00 €
Das Buch von Regina Dieterle wirft neues Licht auf eine der berühmtesten Skandalgeschichten des ausgehenden 19. Jahrhunderts: die Liebes-Affäre zwischen Lydia Welti-Escher und dem Maler Karl Stauffer-Bern in den Jahren 1888/90. Die Abläufe der Affäre sind bekannt. Lydia Escher, einzige Tochter des Eisenbahnkönigs und Bankengründers Alfred Escher, lebte in erkalteter Ehe mit Friedrich Welti, dem Sohn des Bundesrates Emil Welti, als sie – unter anderem durch Vermittlung von Gottfried Keller – den Maler Karl Stauffer-Bern kennenlernte. Stauffer, damals ein begehrter Porträtist, schuf in jenen Jahren seine grossen Bildnisse von Keller, C. F. Meyer und wurde auch von der Familie Welti- Escher für Porträts engagiert. Dabei kam es zu einer Liebesgeschichte zwischen ihm und Lydia, einer tollkühnen Übersiedlung nach Florenz und Rom, samt dortiger Verhaftung und psychiatrischer Internierung (letzteres amtsmissbräuchlich durch Bundesrat Welti veranlasst). Lydia und Stauffer wurden am Ende zwar befreit und konnten in die Schweiz zurückkehren, begingen jedoch anschliessend beide im Abstand weniger Monate Selbstmord. Was bislang weniger bekannt ist, deckt Regina Dieterle auf: Dass sehr früh die Literarisierung des skandalösen Geschehens einsetzte – und zwar überraschenderweise durch Theodor Fontane, für den der ‹Stoff› eine wesentliche Anregung zu seinem Roman «Effi Briest» wurde. Ebenso wenig ist bekannt, wie umsichtig und engagiert Lydia Escher in ihren letzten Lebensmonaten die Gründung einer grossen Schweizer Kunststiftung vorantrieb. Nachdem sie das Kapital eingebracht hatte, wurde ihr die Leitung jedoch von einigen Herren aus den Hand genommen – denen die grossügige Stifterin «zu sehr emancipiert» erschien. Als Vorwand dazu diente, dass nach damaligem Recht eine Frau nicht befugt war, eine Stiftung zu leiten. Auch für deren Name stand schliesslich gegen ihre Absicht ein Mann Pate: Gottfried Keller.
Sheroes
Neue Held*innen braucht das Land
Jagoda Marinić
S. FISCHER 2019
Gebundenes Buch 12,00 €
MeToo war ein öffentliches Gesprächsangebot – nehmen wir es wahr! Jetzt haben wir endlich die Chance, offen über Männer und Frauen, über Rollenbilder und Macht zu reden. Lassen wir es nicht scheitern in Zeiten, wo mit »Bikinis statt Burkas« um Wählerstimmen geworben wird. Geben wir der Debatte in Deutschland eine eigene Richtung. Nutzen wir als Frauen die Chance und definieren uns selbst. Erfinden wir neue Held*innenrollen. Und holen die Männer mit ins Boot. Denn im Kampf um Machtmissbrauch müssen alle an einem Strang ziehen. Dafür will dieses Buch ein Anstoß sein und Perspektiven zeigen. Ein Anstoß für all jene, die das längst wissen. Und für die anderen erst recht.
Fallensteller
Saša Stanišić
btb Verlag 2017
Gebundenes Buch 19,99 €
Taschenbuch 10,00 €
Dies sind Geschichten über Menschen, die Fallen stellen, Menschen, die sich locken lassen, Menschen, die sich befreien - im Krieg und im Spiel, mit Trug und Tricks und Mut und Witz:
Ein vom Leben nicht sehr verwöhnter alter Mann, der eine Leidenschaft hat für die Magie. Er bittet um Stille für die Große Illusion - aber die Gemeinde trinkt Kaffee und hält nicht still. Ein Junge, der Bäume nur als Schrank super findet, sich im Wald aber mit Hirschen anfreundet und eine Runde X-Box mit ihnen spielt. Zwei Freunde, die mit Karacho und Geschick ihren Sehnsüchten hinterherjagen, quer durch Europa: einer christlichen Menschenrechtsaktivistin, einer syrischen Surrealistin, einem bedrohten Vogel. Ein geheimnisvoller schwarzgekleideter Mann, der behauptet, Fallen herstellen zu können für jeden Zweck, nicht nur für das Tier.
Saša Stanišić
war am 20.5.2019 in der
Alten Weinfabrik, Bergheimer 5

dieses Foto wurde auf seiner Lesung gemacht.
Blinde Liebe
William Boyd
Kampa Verlag 2019
Gebundene Ausgabe 24,00 €
Brodie Moncur hat das absolute Gehör und gilt als Genie unter den Klavierstimmern. Als er in Paris dem grandiosen Pianisten John Kilbarron begegnet, nimmt sein Leben eine dramatische Wendung. Rasch zeigt sich, dass Brodies Künste unverzichtbar für Kilbarron sind. Gemeinsam feiern sie Triumphe in ganz Europa, führen in St. Petersburg ein luxuriöses Leben, das Brodie, aufgewachsen in einem schottischen Dorf als Sohn eines tyrannischen Pfarrers, sich nie hätte erträumen lassen. Und doch ist das alles für Brodie unwichtig. Denn der wahre Grund, weshalb er in die Dienste des genialen, aber unberechenbaren Pianisten eingetreten ist, ist dessen Geliebte, die russische Sopranistin Lika.
Brodie weiß, dass diese Liebe unmöglich ist, und setzt doch alles für sie aufs Spiel – auch sein eigenes Leben. Denn der Klavierstimmer, der mit wenigen Handgriffen über Erfolg oder Misserfolg eines Konzerts, ja einer Pianistenkarriere entscheiden kann, folgt seinem Herzen, das sich nicht umstimmen lässt.